Anspruch auf Home Office aufgrund der Corona-Krise

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Arbeitsrecht

Anspruch auf Home Office aufgrund der Corona-Krise

Home Office – ein Anglizismus, der anscheinend so viele Bedeutungen hat wie es Meinungen dazu gibt. Einige fordern ein Anspruch auf Home Office und sehen darin ein Allheilmittel für den Kampf gegen den Klimawandel und die Lösung für den drohenden Verkehrskollaps in den Innenstädten, Andere wehren sich gegen jegliches Home Office und sehen gar in einem Anspruch auf Home Office das Chaos in den Betrieben heranziehen. Unbestritten ist aber sicher, dass uns das Coronavirus nicht nur neue Lösungen und Herangehensweisen abverlangt, sondern wir auch Home Office neu denken müssen. In der derzeitigen Corona-Krise, in der möglichst viel Abstand zwischen die Menschen gebracht werden muss, wird Home Office fast zur Pflicht und das nicht nur für die vom Bundesrat explizit benannten Personengruppen die durch das Coronavirus (Covid-19) besonders gefährdet sind. Die Chancen des Home Office bestehen also darin, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und einzudämmen. Welche möglichen Kosten und Risiken sind dabei aber zu beachten? Welche Rechte und Pflichten hat der Arbeitnehmer beim Home Office? Kann Home Office eingefordert werden, besteht also ein Anspruch auf Home Office aufgrund der Corona-Krise? Was hat der Arbeitgeber zu berücksichtigen?

Der Blogbeitrag soll sich insbesondere mit den Besonderheiten im Home Office auseinandersetzen. Hierzu sollen die Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber angesprochen werden, die bei dieser besonderen Form der Leistungserbringung entstehen können. Es soll auf die rechtlichen Risiken und die möglichen Kosten für die Arbeitsvertragsparteien hingewiesen werden, die bei vereinbartem oder stillschweigend genehmigtem Home Office in Betracht gezogen werden sollten. Ausserdem wird die Verordnung des Bundesrates angesprochen und wie sich diese auf die Möglichkeit des Home Office auswirken könnte.

Was versteht man unter Home Office

Zunächst ist zu sagen, dass das sogenannte „Home Office“, vom Gesetzgeber nicht explizit geregelt wurde. Grundsätzlich wird unter Home Office jene Arbeit verstanden, die der Arbeitnehmer ganz oder teilweise, regelmässig oder unregelmässig in seinen privaten Räumlichkeiten erledigt. Hierbei ist der Arbeitnehmer mit seinem betrieblichen Arbeitsplatz durch elektronische Kommunikationsmittel (Telefon und Internet) verbunden. Der Arbeitnehmer erfüllt im Home Office seine (arbeitsrechtliche) Leistungspflicht im Hinblick auf die Örtlichkeit, in der er die Arbeit verrichtet in besonderer Art und Weise. Es gelten jedoch auch hier die gewöhnlichen Merkmale des Arbeitsvertrags. Wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seines Anstellungsvertrags eine bestimmte Zeit pro Woche oder während der Corona-Krise (auf unbestimmte Zeit) im Home Office arbeitet, sind auch nur die Bestimmungen des Einzelarbeitsvertrags gemäss Art. 319 ff. Obligationenrechts (OR) anwendbar. Die gesetzlichen Vorschriften des Heimarbeitsvertrags finden auf das gewöhnliche Home Office keine Anwendung.

Wie ist das Home Office geregelt

Im Idealfall bestehen bereits im Arbeitsvertrag und den dazugehörigen Reglementen genaue Regelungen zum Home Office weil dies schon vor der Corona-Krise praktiziert wurde. In einer solchen Regelung sollten dann wichtige Punkte wie Haftung, Spesen, Arbeitszeiten, Umgang mit Störungen, etc. schriftlich festgehalten sein, welche die geltenden Rechte und Pflichten festlegen. Dann kann das Home Office aufgrund der aktuellen Gefährdungslage durch das Coronavirus schnell und rechtssicher umgesetzt werden.

Oft ist es jedoch so, dass Home Office noch nicht im Arbeitsvertrag oder den dazugehörigen Reglementen (umfassend) geregelt wurde. Es ist derzeit jedoch schnell zu reagieren, um die Arbeitnehmer und deren Angehörige zu schützen sowie den geregelten Ablauf im Betrieb trotz des Coronavirus aufrecht zu erhalten.

Anspruch auf Home Office aufgrund der Corona-Krise

In der Schweiz wird derzeit angeraten weder viel mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen noch in grösseren Gruppen zusammen zu sein (seit dem 20. März 2020 gilt die 5-Personen-Regel). Gerade diese Möglichkeiten der Ansteckung begegnen Pendler und andere Arbeitnehmer jeden Tag auf dem Weg zur und am Arbeitsort. Besteht daher also ein Anspruch auf Home Office? Dies ist klar zu verneinen. Es besteht, ohne vertraglich vereinbarte Regelung in Bezug auf Home Office, kein Anspruch auf Home Office, da der Arbeitsort als ein Teilaspekt der Arbeitspflicht zu verstehen ist. Mit anderen Worten, es besteht eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Anwesenheit am Arbeitsort. Wie er diese Anwesenheit bewerkstelligt, liegt in seiner Verantwortung. Soweit Sie zu einer Risikogruppe gehören, da Sie an einer Immunschwäche leiden oder Medikamente einnehmen müssen, die Ihre Immunabwehr hemmt, muss dies (auf Verlangen des Arbeitgebers) durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden. Lediglich die Angst, sich durch das neuartige Coronavirus anzustecken reicht nicht aus, um einen Anspruch auf Home Office zu haben. Eine Lösung sollte immer in Absprache mit dem Arbeitgeber gefunden werden. Nach der Verordnung 2 des Bundesrates vom 13. März 2020 über Massnahmen zu Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19-Verordnung 2) in der Fassung vom 16. März 2020 gelten gem. Art. 10b der Verordnung als besonders gefährdet Personen ab 65 Jahren und Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, Krebs.

Art. 10c der Verordnung sieht in Abs. 1 vor, dass besonders gefährdete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre arbeitsvertraglichen Pflichten von zu Hause aus erledigen. Ist dies nicht möglich, so werden sie vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt.

Art. 10c Abs. 2 der Verordnung sieht vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre besondere Gefährdung durch eine persönliche Erklärung geltend machen. Der Arbeitgeber kann ein ärztliches Attest verlangen.

Anordnung von Home Office durch den Arbeitgeber

Der Arbeitnehmer hat also keinen Anspruch, während der Corona-Krise ins Home Office zu wechseln, soweit nicht schon Vereinbarungen bestehen. Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber aber auch keine Handhabe einseitig Home Office anzuordnen, da er keine Verfügungsmacht über die privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers ausüben kann. Der Arbeitgeber ist auch für die Bereitstellung der notwendigen Arbeitsinfrastruktur verantwortlich. In Ausnahmefällen (Renovierung, Stromausfall, etc.) kann ein Arbeitgeber jedoch Home Office anordnen. Aufgrund der derzeitigen gesundheitlichen Risikolage, Epidemie-/ Pandemiesituation durch das Coronavirus, sollte eine solche Ausnahmelage gegeben sein, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, Home Office anzuordnen bzw. bestehende Home Office- Regelungen auszuweiten. Es ist anzuraten, dass der Arbeitgeber dazu ein Home Office- Reglement erlässt und dieses umgehend (oder nach kurzer Frist) in Kraft setzt.

Fallstricke beim Home Office in rechtlicher Hinsicht

Home Office, gleichgültig ob aufgrund des Coronavirus oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung, birgt einige rechtliche Fallstricke, die es am besten im Voraus auszuräumen gilt. So gilt beispielsweise bei der einfachen Formulierung „Home Office“ im Zweifelsfall die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit in seinem privaten Wohnbereich erledigt. Andere Orte sind zwar nicht grundsätzlich verboten, sollten jedoch mit dem Arbeitgeber zuvor abgesprochen werden. Hier ist dem Bedürfnis nach Datenschutz und Vertraulichkeit in Bezug auf Kundendaten und Geschäftsgeheimnissen des Arbeitgebers unter allen Umständen zu entsprechen. Arbeiten ausserhalb des privaten Wohnbereichs im „Home Office“ sollten unbedingt mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden. Dasselbe gilt bei der Verwendung eigener (elektronischer) Geräte.

Home Office und Versicherungen

Ein weiteres Problem könnte im Bereich der Versicherungen bestehen. Im Bereich der Sozialversicherung gibt es kaum Unterschiede zwischen der Arbeit im Home Office und der Arbeit in den Geschäftsräumlichkeiten des Arbeitgebers. Problematisch kann es jedoch bei der Abgrenzung zwischen Betriebs- und Nichtbetriebsunfällen bei der Unfallversicherung kommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Unfall an Randzeiten ereignet. Hier ist eine genaue Dokumentation der Arbeitszeiten notwendig. Bei grenzüberschreitender Arbeit im Home Office sollte in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht in jedem Fall Rat bei einem Rechtsanwalt eingeholt werden.

Dieselbe Situation kann sich im Bereich der Haftpflichtversicherungen ergeben. Hier sind die meisten Betriebshaftpflichtversicherungen auf die Räumlichkeiten des Betriebs des Arbeitgebers beschränkt. Daher ist hier das Risiko gross, dass Schadenfälle, die sich im Home Office ereignen aufgrund der Ortsverschiedenheit zum Arbeitsort, der im Arbeitsvertrag festgehalten wurde, nicht durch die Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt sind. Ebenso ist das Risiko gross, dass auch die Privathaftpflicht des Arbeitnehmers jegliche Deckung ablehnt, da Schädigungen, die in Verbindung mit der beruflichen Tätigkeit entstehen, von der privaten Haftpflicht ausdrücklich ausgenommen sind.

Kosten beim Home Office

Weiterhin sollten, bei angewiesenem oder vereinbartem Home Office, Kostenregelungen zu den Bereichen Spesen, Materialien, Arbeitsgeräte, Arbeitszeiterfassung etc. vereinbart werden. Wird hier keine Regelung getroffen, hat der Arbeitgeber gem. Art. 327 OR eine angemessene Entschädigung für den Einsatz der Geräte und Materialien des Arbeitnehmers zu bezahlen. Der Auslagenersatz (Spesen) kann vom Arbeitgeber gem. Art. 327a OR nicht wegbedungen werden und ist stets zu ersetzen. Hier kommt es jedoch darauf an, ob der Wunsch zum Home Office vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber ausgeht und ob dem Arbeitnehmer in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers grds. ein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung stünde.

Nachtarbeit und Sonntagsarbeit im Home Office

Darüber hinaus ist auch im Home Office das Verbot der Nacht- oder Sonntagsarbeit zu beachten. Wo dies erlaubt oder notwendig ist, begründen Nacht-, Sonntags- oder Schichtarbeit sowie Pikett-Tätigkeit einen zuschlagspflichtigen Lohn, auch im Home Office. Es sind die gewöhnlichen Präsenzpflichten von beiden Seiten auch im Home Office einzuhalten, d. h. der Arbeitnehmer muss während der üblichen Bürozeiten erreichbar sein, aber nicht darüber hinaus (keine Dauererreichbarkeit).

Fazit

Home Office aufgrund der Corona-Krise ist schnell vereinbart und oft auch schnell umgesetzt. Es sollte jedoch bei allem Enthusiasmus und Einigkeit in der derzeitigen Situation in Bezug auf das Home Office nicht vergessen werden, dass hier beträchtliche Risiken bezüglich Kosten, Haftung, Datenschutz sowie sozialversicherungsrechtlicher Einordnung entstehen können. Im Zweifelsfall sollte zum Schutz des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers immer ein Home Office- Reglement vereinbart worden sein. Ein Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen hier weiterhelfen.

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