28 Okt Internationale Scheidung – wo Sie wollen – wenn Sie schnell sind
FAMILIENRECHT
Internationale Scheidung – wo Sie wollen – wenn Sie schnell sind
Der Blogbeitrag soll sich insbesondere mit der praktischen Wahl der Gerichte auseinandersetzen, wenn es zu einer Trennung bzw. Scheidung im internationalen Kontext kommt und es sich um eine binationale Ehe (die Eheleute haben nicht dieselbe Staatsbürgerschaft) handelt oder die Eheleute im Ausland leben. Darüber hinaus ist auch auf die Wahlmöglichkeit des anwendbaren Rechts einzugehen.
Sind beispielsweise beide Eheleute deutsche Staatsbürger, die in der Schweiz zusammenleben (dort ihren Wohnsitz haben), so sind zunächst die Gerichte in der Schweiz, genauer die Gerichte am Wohnsitz des Beklagten (gegen den sich die Klage auf Trennung oder Scheidung richtet) zuständig. Hier müsste dann das Eheschutzverfahren (bei streitiger Ehescheidung) oder bei einvernehmlicher Scheidung das Scheidungsbegehren gestellt werden. Wichtig: Wenn Sie nicht wissen ob eine einvernehmliche Scheidung möglich ist, beantragen Sie (in der Schweiz) zunächst bei Gericht „das Getrenntleben zu bewilligen“. Ab diesem Zeitpunkt beginnt in der Regel die zweijährige Trennungszeit zu laufen (u. U. auch schon früher, wenn nachgewiesen wird, dass das Getrenntleben schon länger realisiert wurde). Soweit sich der andere Ehegatte bereit erklärt, der Scheidung zuzustimmen, wird ins einvernehmliche Scheidungsverfahren gewechselt und es entfällt die zweijährige Trennungszeit. Abhängig von der Kompromissbereitschaft der Eheleute und der Komplexität der Regelungspunkte, die bei einer Scheidung vom Gericht entschieden werden müssen (u.U. Güterrecht, Unterhalt, Sorgerecht bzw. Obhut, etc.), dauert die einvernehmliche internationale Scheidung vier bis sechs Monate.
Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf den Ort des Gerichts
Weder nach schweizerischem IPRG (Internationales Prozessrechtsgesetz) noch nach der in der EU anzuwendenden Brüssel IIa-Verordnung kann unter den Parteien im Voraus ein Gericht bestimmt werden, das für die internationale Scheidung zuständig sein soll. Somit scheint für die deutschen Ehegatten in der Schweiz keine Gestaltungsmöglichkeit offen zu stehen. Dies lässt sich jedoch beeinflussen, wenn dem scheidungswilligen Paar sowohl ein Scheidungsgericht in der Schweiz und eines in einem EU-Staat (z. B. Deutschland) offen steht. Soweit sich einer oder auch beide für ein Scheidungsgericht in der EU entscheiden, entstehen Gestaltungsspielräume, die in der Schweiz nicht möglich wären.
Scheidungsgerichte in der EU stehen dem scheidungswilligen Ehegatten offen, wenn der Beklagte Ehegatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder wenn beide Ehegatten dieselbe EU-Staatsbürgerschaft innehaben.
Soweit beide Parteien noch in der Schweiz leben und keinen Wohnsitz in Deutschland haben, kann als deutsches Gericht lediglich das Amtsgericht Berlin Schöneberg angerufen werden, falls der Wunsch besteht, ein deutsches Gericht als Scheidungsgericht zu benennen.
Angenommen, einer der Ehepartner verlässt die Schweiz nach der Trennung und zieht beispielsweise nach München und reicht dort Klage auf Ehescheidung ein. Falls der andere Ehepartner gleichzeitig in Zürich die Scheidung einreicht, wird das zuletzt angerufene Gericht sich für unzuständig erklären und dem zuerst angerufenen Gericht die Zuständigkeit zusprechen. Folglich wäre in diesem Beispiel das Gericht in München zuständig. Es lohnt sich also schnell zu sein, möchte man an seinem neuen Wohnort klagen und darüber hinaus, wie später noch zu sehen sein wird, auch das anzuwendende Recht beeinflussen.
Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf das anzuwendende Recht
Wichtiger als das zuständige Gericht ist das anwendbare Recht. Welches Recht auf das Scheidungsverfahren angewendet wird kann für dessen Ausgang erhebliche Konsequenzen haben. Gerade in Bezug auf den Ehegattenunterhalt, den Kindesunterhalt und das Güterrecht (Verteilung des während der Ehe angehäuften Vermögens) können die Unterschiede beträchtlich sein. Hier nur einige wenige Beispiele.
In England gelten sehr lange Trennungszeiten. Bei einer einvernehmlichen Scheidung sind zwei Jahre, ansonsten fünf Jahre Trennungszeit nötig, um die Scheidung abzuschliessen. Ohne Trennungszeit kann eine Scheidung durchgeführt werden, wenn entweder Ehebruch oder „unerträgliches Verhalten“ einer Partei nachgewiesen wird. Darüber hinaus ist das englische Recht sehr ungünstig für den Unterhaltsverpflichteten, da dem Berechtigten ein Drittel der gemeinsamen Einkünfte zustehen.
In den Niederlanden ist die Scheidung ohne die Einhaltung einer Trennungszeit möglich. Soweit die Scheidung einvernehmlich ist, müssen die Ehegatten nicht vor Gericht erscheinen, das Verfahren findet schriftlich statt.
In Italien sind drei Jahre Trennungszeit einzuhalten, bevor die Ehe geschieden wird. Die Trennung kann vom Ehepaar einvernehmlich vollzogen oder vom Gericht ausgesprochen werden.
In Österreich unterscheidet man zwischen einvernehmlicher Scheidung, Verschuldensscheidung und Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft. Bei letzterer muss die Ehe zerrüttet und die häusliche Gemeinschaft mindestens drei Jahre aufgehoben sein, damit diese geschieden werden kann. Bei der Verschuldensscheidung wirkt sich das Mass des Verschuldens an der Scheidung stark auf die Unterhaltsansprüche aus. Der Ehepartner, der die Scheidung verschuldet hat, muss mit erheblichen Nachteilen rechnen.
Im Allgemeinen ist es binationalen Ehepaaren oder Ehepaaren im Ausland anzuraten, sich in Bezug auf die Möglichkeiten einer Rechtswahl anwaltlich beraten zu lassen. Hier kann für beide Parteien die optimale Lösung bei Unterhalt oder Güterrecht gefunden werden. Insbesondere können bei Scheidungen im Ausland und gerichtlichen Entscheidungen über die Nebenfolgen (Güterrecht, Unterhalt, Sorgerecht, etc.) Probleme bei der Anerkennung im Wohnsitzstaat entstehen, die durch eine frühzeitige Beratung vermieden werden können.
Seit in Kraft treten der EU-Verordnung Nr. 1259/2010 (sog. „Rom III-Verordnung») bestimmt sich für die an die Rom-III Verordnung gebundenen Staaten nach dieser Verordnung, welches Recht auf eine internationale Scheidung mit grenzüberschreitendem Sachverhalt Anwendung findet. Dabei regelt die Verordnung ausschliesslich die Statusfrage (anwendbares Recht), Nebenfolgen, wie Unterhalt, Güterrecht etc. fallen nicht darunter. Bei der Wahl des Rechts sollten diese Nebenfolgen koordiniert werden. Da die Verordnung auch im Verhältnis zum Nicht-EU-Ausland (also auch der Schweiz) Anwendung findet, ist sie heranzuziehen, unabhängig ob sie auf die Rechtsordnung eines Mitgliedstaates der EU oder eines Drittstaates wie der Schweiz verweist. Hiervon sind dann auch deutsche Ehepaare betroffen, die während ihrer Ehe in der Schweiz leben. Das bedeutet, wie oben bereits angesprochen, dass ein deutsches Ehepaar in der Schweiz die Wahl hat, welche Rechtsordnung auf die Scheidung angewendet werden soll. Dies ist zunächst das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts (im Beispiel wäre das der Wohnsitz und somit schweizerisches Recht) oder auch das Recht deren Staatsangehörigkeit sie besitzen (hier im Beispiel wäre es das deutsche Recht). Diese Rechtswahl kann, wenn sie gemeinsam getroffen wird, noch bis zum Scheidungstermin getroffen werden.
Was passiert, wenn sich die Eheleute nicht einigen können oder keine Rechtswahl im Voraus festgelegt wurde?
Soweit die Ehegatten keine Wahl getroffen haben, kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem diese im Zeitpunkt der Anhebung der Scheidung ihren Lebensmittelpunkt haben – im Beispiel des deutschen Ehepaars mit Wohnsitz in der Schweiz also das schweizerische Recht.
Ist ein Partner ins Ausland gezogen (z. B. aus der Schweiz nach Deutschland), so gilt das Recht des Staates, in dem das Ehepaar zuletzt seinen gemeinsamen Aufenthalt hatte (hier: schweizer Recht). Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Umzug noch nicht länger als ein Jahr zurückliegt und der andere Partner zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts noch dort (also der Schweiz) wohnt.
Falls die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so gilt entweder das Recht des Landes, dessen gemeinsame Staatsangehörigkeit beide haben, im Beispiel mit dem deutschen Paar also deutsches Recht. Bei unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten (z. B. ein deutsch-französisches Paar, das in der Schweiz lebt), findet das Recht am Ort des angerufenen Gerichts Anwendung. In diesem Beispiel also das schweizer Recht, wenn ein schweizerisches Gericht angerufen wird, das deutsche Recht, wenn zuerst ein deutsches Gericht angerufen wird, etc.
Treffen die Ehegatten also keine Rechtswahl, so bestimmt Artikel 8 der Rom-III Verordnung das auf die Scheidung anzuwendende Recht in folgender Reihenfolge:
Es gilt vorrangig das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts leben
- Nachrangig gilt das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt zusammengelebt haben. Der Aufenthalt darf dann aber nicht länger als ein Jahr zurückliegen und einer der Gatten muss immer noch dort wohnen.
- Ersatzweise gilt das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Gatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen.
- Trifft nichts von alldem zu, so gilt das Recht des Staates, bei dessen Gericht die Scheidung eingereicht wird.
Bei der im Voraus vereinbarten Rechtswahl der Ehegatten
Wollen Ehegatten, die einen Bezug zur EU haben (z. B. deutsche Staatsangehörige, die in der Schweiz leben), im Voraus das anwendbare Scheidungsrecht wählen, so können sie das auch tun. Sie können jedoch nicht sicherstellen, dass im Falle einer Scheidung ein Gericht zuständig ist, das die gemeinsame Rechtswahl anerkennt. Hier spricht man vom sog. „forum running“, was soviel bedeutet wie der Schnellste am Gericht entscheidet über Ort und anwendbares Recht. Hierzu ein Beispiel:
Der deutsche Staatsangehörige A wohnt mit seiner schweizer Ehefrau B in Paris. Beide haben für den Fall einer Scheidung vorsorglich das deutsche Scheidungsrecht als anwendbares Recht festgelegt. Dies ist nach der Rom-III Verordnung auch zulässig, da es sich um das Heimatrecht eines der Ehegatten handelt. Falls sich A und B scheiden lassen wollen, so ist ihre Rechtswahl nur dann beachtlich, wenn sie in Frankreich oder einem anderen Staat klagen, der an der Rom-III Verordnung teilnimmt. Soweit einer der Eheleute in einem Drittstaat (z. B. der Schweiz) klagt, wird die Vereinbarung hinfällig. Falls also B nach der Trennung zurück in die Schweiz gezogen ist und dort in Zürich die Scheidungsklage erhebt, wird nicht das von beiden gewählte deutsche Scheidungsrecht Anwendung finden, sondern das schweizerische Scheidungsrecht.
Falls A zur gleichen Zeit in Paris auf Scheidung klagt (dies kann er tun, da es sich um den letzten gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute handelt), muss geprüft werden, ob das Verfahren zuerst in Frankreich oder der Schweiz anhängig gemacht wurde. Das zuletzt angerufene Gericht wird nicht auf die Sache eintreten. Falls A nicht nach schweizer Recht geschieden werden möchte, muss er das Scheidungsverfahren in Frankreich bei Gericht anhängig machen und dabei schneller sein als B. Umgekehrt könnte auch A zuerst in der Schweiz klagen (Beklagtengerichtsstand) um Frankreich bzw. deutsches Recht als Scheidungsrecht zu umgehen.
Bei der Wahl eines ausländischen Scheidungsrechts ist immer auch zu bedenken, ob der gerichtliche Entscheid über die Scheidung und dessen Nebenfolgen, auch im Inland anerkannt und durchsetzbar ist, oder nicht. So wird beispielsweise eine schweizerische Scheidung eines deutschen Staatsangehörigen nicht automatisch in Deutschland wirksam. Das bedeutet, dass die in der Schweiz rechtskräftig geschiedene Person in Deutschland bis zur amtlichen Anerkennung der Scheidung in Deutschland als verheiratet gilt. Dies kann weitreichende Konsequenzen haben. Von der erneuten Annahme des Geburtsnamens bis zu sorgerechtlichen Regelungen.
Die Eheleute haben in Bezug auf das Recht, das auf ihre Scheidung Anwendung finden soll, die folgenden Wahlmöglichkeiten
- Recht des Staates, in dem beide Gatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl wohnen oder
- dem Recht des Staates, in dem die Gatten zuletzt gemeinsam gelebt haben, sofern einer von ihnen dies immer noch tut oder
- dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Gatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder
- dem Recht des Staates, in dem die Scheidung eingereicht wird.
Fazit
Eine Vereinbarung, welches Recht bei einer internationalen Scheidung Anwendung finden soll ist sinnvoll, wenn man weiss, welches Recht möglich und für beide Parteien sinnvoll oder sogar vorteilhaft ist. Hier sollten sowohl die Regelungen zum Güterrecht, Unterhaltsrecht, Vorsorgeausgleich, Sorgerecht und vorgeschriebene Trennungszeit bei nicht einvernehmlichen Scheidungen beachtet werden (Trennungszeit bei streitigen Scheidungen: 3 Jahre in Österreich und Italien, 2 Jahre in Frankreich und Schweiz, 1 bzw. 3 Jahre in Deutschland). Insbesondere bei binationalen Ehen oder Paaren, die nicht in ihrem Herkunftsland leben, sollte eine solche Vereinbarung getroffen werden. Wie das obige Beispiel zeigt, besteht die Möglichkeit, sich über solche Vereinbarungen hinwegzusetzen, wenn aus der Sicht der Rom-III Verordnung ein Drittstaat wie die Schweiz, Schweden oder unter Umständen bald das Vereinigte Königreich („Brexit“) involviert sind. Hier hilft dann nur der Schnellste zu sein und sich somit den Gerichtsstand (Ort des Gerichts) und auch das anwendbare Recht zu sichern. Falls Sie unsicher sind, welches Recht für Sie das bessere ist, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen. Wir beraten Sie im schweizerischen und im deutschen Recht zu allen Fragen rund um Ehe, Ehevertrag, Scheidung und Erbrecht sowie zu allen steuerrechtlichen Implikationen in diesen Bereichen.